Mit Nigeria setzt erstmals ein afrikanisches Land in größerem Maßstab Generika zur Aids-Therapie ein. Ob der neue Weltgesundheitsfonds diese Strategie mitfinanzieren soll, ist noch umstritten.
Damit hat Nigeria eine Vorreiterrolle übernommen, die eigentlich Südafrika zu Gesicht stünde, dem mit rund fünf Millionen Aids-In?zierten weltweit am stärksten betroffenen Land. Doch erst Mitte August erklärte der oberste Gesundheitsbeamte Südafrikas, die Medikamente seien noch immer zu teuer. Und die führende Aids-Aktionsgruppe am Kap, Treatment Action Campaign, hat nun die Regierung geklagt, weil Pretoria weiterhin die Behandlung HIV-positiver schwangerer Frauen mit Nevirapin blockiert, das die Übertragung des Virus auf die Kinder verhindern kann.
Andererseits bietet der südafrikanische Versicherer Capital Alliance seit August erstmals eine Polizze, mit der Unternehmen für Aids-Erkrankungen ihrer Beschäftigten vorsorgen können. Die Behandlungskosten für HIV/Aids, so Capital Alliance-Chef Des Martin, seien nun „nicht viel höher als bei anderen chronischen Krankheiten“. Und Aspen, Südafrikas größtes Pharmaunternehmen, will die antiretroviralen Medikamente Zerit (Stavudin) und Videx in Eigenregie herstellen – mit Vorprodukten von Hetero Drugs, neben Cipla und Aurobindo eine der drei indischen Pharma?rmen, die Generika für Aids-Kombinationstherapien anbieten. Der Weg ist frei: Bristol-Myers Squibb, Miteigentümer des Zerit-Patents, will afrikanische Generikaproduzenten gewähren lassen, solange die Medikamente in Afrika bleiben.
Dies entspricht der Strategie der Pharmaindustrie, sich durch Preissenkungen und andere Angebote an arme Länder aus dem Schussfeld der Kritik zu nehmen. Das US-Unternehmen P?zer etwa stellt sein Aids-Medikament Di?ucan nun den 50 ärmsten Länder der Welt gratis zur Verfügung. Mit Di?ucan wird Kryptokokken-Meningitis behandelt, eine für viele Aids-Kranke tödliche Pilzinfektion. Und GlaxoSmithKline hat ihr Billigangebot von Medikamenten gegen Malaria, Durchfall und Infektionskrankheiten auf alle Entwicklungsländer ausgedehnt. Die britische Hilfsorganisation Oxfam dazu: „Mehr konnten wir von einem einzelnen Unternehmen vernünftigerweise nicht erwarten“.
Auch auf WTO-Ebene gibt es positive Anzeichen. Ende Juni haben die USA ihre Einwände gegen Pharmabestimmungen des brasilianischen Patentgesetzes zurückgezogen; für Mitte September ist das bereits zweite WTO-Treffen zum Thema Patentschutz und Gesundheitsversorgung anberaumt. Und der von Ko? Annan vehement geforderte Weltgesundheitsfonds wurde beim Gipfel der reichen Industrieländer in Genua im Juli of?ziell ins Leben gerufen. Der Fonds, dessen Mittel für Aids, Malaria und Tuberkulose bestimmt sind, soll seine Arbeit am 1. Jänner 2002 aufnehmen. Die Dotierung ist vorläu?g mager: Per 7. August beliefen sich die Zusagen auf rund 1,4 Milliarden Dollar, weit unter dem kalkulierten Mindestbedarf (siehe Tabelle).
Doch dies steht gar nicht im Mittelpunkt der Kritik. Hat der Fonds nicht den klaren Auftrag, Medikamente zum günstigsten Preis einzukaufen, also auch bei Generikaproduzenten, dann wird damit vor allem die Pharmaindustrie des Nordens subventioniert, sagt etwa Ärzte ohne Grenzen. Und für viele NGOs ist der Fonds nur ein Feigenblatt für die Knausrigkeit der reichen Länder: Sie haben ihre Hilfe an Afrika von 1994 bis 1999 von 23,4 auf 15,3 Mrd. Dollar gekürzt und ?nden nichts dabei, von den selben Ländern Schuldendienst in Milliardenhöhe einzutreiben. Würde die Hilfe der OECD-Länder dem UNO-Ziel von 0,7% des Bruttoinlandsprodukts entsprechen, wären jährlich zusätzlich 100 Mrd. Dollar verfügbar. Höchste Zeit für die reichen Länder, Farbe zu bekennen.
Mittel für Aidsbekämpfung
im Süden (in US-Dollar)
Ausgaben 2000: 1,8 Mrd.
Mindestbedarf 2005: 9,2 Mrd.
Beitrag Entwicklungsländer: 3 – 4,6 Mrd.
Beitrag reiche Länder : 4,6 – 6,2 Mrd.
Weltgesundheitsfonds, August 2001: 1,4 Mrd.
Zum Vergleich
EZA der OECD 2000: ca. 55 Mrd.
0,7% d. BIP: ca. 150 Mrd.
Pharmagewinne 2000 (5 größte Konzerne): ca. 24 Mrd.
Quelle: Schwartländer et. al., 2001; UNAIDS; eigene Berechnungen
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